Frauen auf der Leinwand – Jung, schlank und Partnerin

Pressemitteilung vom 08.02.2022


Wie präsent sind Frauen und Männer auf der großen Kinoleinwand? Konkrete Antworten und Zahlen darauf liefert jetzt eine von der FFA mitinitiierte neue Analyse der Universität Rostock. Die von Maria und Elisabeth Furtwängler gegründete MaLisa Stiftung und ihren Partnerinstitutionen heute veröffentlichte „Fortschrittsstudie zur audiovisuellen Diversität“ zeigt, dass der Anteil von Frauen auf der Leinwand seit 2017 zwar zugenommen hat – allerdings sind Frauen weiterhin weniger vielfältig sichtbar. Die Studie verdeutlicht zudem, dass Frauen als Kreative hinter der Kamera weiterhin unterrepräsentiert sind.

Eine erste Erhebung von 2017 hat gezeigt, dass die Zahl der Frauen und Männer, die auf der Kinoleinwand zu sehen sind, ungleich verteilt ist. Die aktuelle Analyse von Geschlechterdarstellungen in deutschen Kinofilmen von 2017 bis 2020 stellt nun heraus, dass Frauen zwar inzwischen fast ebenso häufig als Protagonistinnen sichtbar sind wie Männer, weiterhin jedoch weniger vielfältige Rollen besetzen. 

Zudem zeigte die Untersuchung, dass der Anteil von Frauenfiguren, die älter als dreißig Jahre alt sind, weiterhin abnimmt und mehr als zwei Drittel der zentralen Figuren mit einem Alter über fünfzig männlich sind. Während Protagonistinnen und Protagonisten mit zunehmendem Alter im deutschen Kino insgesamt seltener werden, ist dies bei Frauen schon ab Mitte 30, bei Männern erst ab einem Alter von fünfzig Jahren der Fall. Durchweg ist das Bild der im Kino sichtbaren Frau stark begrenzt: Sie ist jung, schlank und wird im Kontext von Partnerschaft und Beziehung erzählt. Männer hingegen haben erkennbare Berufe, sind auch mal übergewichtig und werden insgesamt vielschichtiger dargestellt. So zeigen deutsche Kinofilme inzwischen zwar mehr Frauen in Hauptrollen, aber bilden nicht die Vielfalt von Frauen in der Realität ab. 

Frauen hinter der Kamera

Die Analyse zeigt auch, dass Frauen als Kreative hinter der Kamera weiterhin unterrepräsentiert sind. So inszenierten sie ein Viertel der deutschen Kinofilme zwischen 2017 und 2020 und waren in 24 Prozent der 390 untersuchten Filme für das Drehbuch verantwortlich. Führte eine Frau Regie oder schrieb das Drehbuch, waren auch deutlich mehr Frauen im Film sichtbar.
 


ZENTRALE ERGEBNISSE
SICHTBARKEIT UND VIELFALT: FORTSCHRITTSSTUDIE ZUR AUDIOVISUELLEN DIVERSITÄT - GENDER & KINO (Universität Rostock, 2021)

Nahezu ausgeglichenes Geschlechterverhältnis bei den Hauptrollen:

  • In den Jahren 2017–2020 hatten annähernd gleich viele Frauen (47%) wie Männer (53%) eine zentrale Rolle. Dies entspricht einem Zuwachs von 5%.

Frauen werden noch immer eingeschränkt inszeniert: 

  • Es gibt weiterhin einen Alters-Gap: Frauen bis zur Altersgruppe Mitte 30 kommen gleich häufig vor, dann sukzessiv seltener. Das größte Ungleichgewicht besteht in der Altersgruppe 50plus Jahre. Hier werden 70% der zentralen Filmrollen von Männern verkörpert.
  • Protagonistinnen sind im Gegensatz zu Protagonisten nie übergewichtig und fast dreimal doppelt so häufig (sehr) dünn. 
  • Bei männlichen Hauptfiguren ist der Beruf häufiger erkennbar als bei weiblichen und die Position häufiger gehoben. 
  • Frauen kommen nach wie vor häufiger im Kontext von Partnerschaft und Beziehung vor. 

Frauen sind als Kreative unterrepräsentiert: 

  • 25% der Filme wurden von Frauen inszeniert. 
  • Bei 24% der Filme hat eine Frau das Drehbuch verfasst, bei 58% ein Mann. Bei 18% der Drehbücher waren gemischte Teams verantwortlich, somit waren Männer an 76% der Drehbücher beteiligt.
  • Für die Sichtbarkeit von Protagonistinnen spielt das Geschlecht des kreativen Teams eine Rolle. Je mehr Frauen in verantwortlicher Position sind, desto mehr Frauen sind im Film zu sehen. 
  • Führt eine Frau Regie, dann sind die Themen der Frauenfiguren erweitert. In diesem Fall bestehen 90% der Filme den Bechdel-Wallace-Test. 

Ausführliche Informationen sowie Grafiken zu den zentralen Ergebnissen der Studie sind auf der Seite der MaLisa Stiftung abrufbar.

Die umfassenden Ergebnisse der Studie „Sichtbarkeit und Vielfalt: Fortschrittsstudie zur audiovisuellen Diversität - Gender & Kino“ stehen hier zum Download bereit.

Durchgeführt wurde die unabhängige Studie von Professorin Elizabeth Prommer vom Institut für Medienforschung der Universität Rostock. Gefördert wurde sie von der Film- und Medienstiftung NRW, dem Medienboard Berlin-Brandenburg, der Filmförderungsanstalt FFA, dem FilmFernsehFonds Bayern, den öffentlich-rechtlichen Sendern ARD und ZDF, den privaten Sendern RTL Deutschland und ProSiebenSat.1 sowie der MaLisa Stiftung.

Zur Methodik: 
Für die Analyse wurden alle 390 majoritär deutschen Spielfilme, die in den Jahren 2017 bis 2020 uraufgeführt wurden, nach Geschlecht und Alter der Protagonistinnen und Protagonisten untersucht. Vertiefend wurden die jeweils 50 erfolgreichsten Arthaus- und Mainstream-Kinofilme untersucht. Für diese Filme wurde anhand des Bechdel-Wallace-Test untersucht, inwieweit Frauen auf Partnerschaft und Beziehung mit Männern reduziert werden. In der Stichprobe konnten nicht-binäre und Menschen mit anderen Geschlechtsidentitäten so gut wie nicht identifiziert werden. Die Ergebnisse werden deshalb nur nach Männern und Frauen ausgewiesen.

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